Von Marrakesch über den Hohen Atlas nach Ait Ben Haddou
Marrakesch, die rote Stadt am Fuße des Hohen Atlas gelegen, zählt neben Meknès, Fès und Rabat zu den Königsstädten Marokkos. Eine Berberstadt am Schnittpunkt von Sahara und Atlasgebirge. Alte Stadtmauern, religiöse Bauten, enge Gassen, Paläste, Riads und bunte Souks prägen das Stadtbild. Wunderschöne Gartenanlagen wie der von Jacques Majorelle laden zum Verweilen ein und der Djemaa el Fna ist als Weltkulturerbe ein Spektakel der besonderen Art. Über den Hohen Atlas mit dem Tizi n’Tichka-Pass (2260 m) gelangt man zu dem Ksar Ait Ben Haddou, ein weiteres Weltkulturerbe der UNESCO und Kulisse vieler Kinofilme.
Impressionen wie aus 1001 Nacht
Wir sitzen auf der Dachterrasse eines alten Riad in Marrakesch in einem Haufen schöner Kissen bemalt mit floralen Ornamenten in den Farben des Orients. Wir tragen luftige, bunte arabische Kaftans. Die Dachterrasse ist umgeben von Vorhangstangen, an denen farbige Stoffbahnen und Fahnen im Wind wehen.
Ein kleines Glöckchen bimmelt ganz leise und die Wasserpfeife sprudelt vor sich hin. Wir sitzen eng umschlungen beieinander und schauen dem Sonnenuntergang zu. Die untergehende Sonne übergießt den Himmel mit glühender Farbe und in der Ferne leuchten die Schneeberge des Hohen Atlas wie eine Bühnenkulisse über den ockerfarbenen Mauern und Minaretten der Stadt.
Unter uns liegt der Djemaa el Fna, der Platz der Geköpften und er erwacht zum Leben. Aus allen Gassen der Medina strömen die Menschen herbei. In den Garküchen schmoren Hammelspieße und Tajines. Auf bunten Decken breiten Händler ihre Waren aus, Ringe, Ketten und Armreifen, kunstvoll geschnitzte Holzfiguren und Babouches, die bunt bestickten Lederpantoffeln. Die Menschen gehen vorbei an den Schalen und Körben der Händler, sie sind randvoll gefüllt mit duftenden Gewürzen in allen Nuancen von Rot, Braun und Gelb. Ingwer, Kurkuma, Kreuzkümmel, Nelken, Zimt und nicht zuletzt das edelste und teuerste Gewürz der Welt – Safran.
Der Zauber beginnt zu wirken. Immer mehr Männer in Djellabahs, den langen Wollgewändern mit Zipfelkapuze, Berberinnen aus dem Gebirge behängt mit schwerem Silberschmuck, verschleierte Frauen in Seide gehüllt, streben zu den Garküchen. Dort brutzeln Schafsköpfe, Heuschrecken oder Lammfüße unter gewaltigen Rauchschwaden vor sich hin. Mopeds, Fahrräder, Eselskarren und Lastenträger bahnen sich ihren Weg durch das Gewimmel der Araber. Affenbändiger, Akrobaten, Gaukler, Schlangenbeschwörer, Wahrsager, Wasserverkäufer, Wunderheiler und junge Männer, die in Frauenkleidern aufreizend tanzen, bevölkern den Platz. Verschleierte Frauen aus den Vierteln liefern Teig für das Fladenbrot an, lassen sich ein Brandzeichen hineinprägen und verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind.
Ab und zu weht ein Hauch von Nelkengeruch, Weihrauch und Pfefferminztee zu uns hoch. Der orientalische Duft von Gewürzen und Eingelegtem des Lebensmittelhändlers steigt in unsere Nasen, die leuchtenden Farben der im Souk der Färber angebotenen Wolle zieht unsere Blicke magisch an. Wohlschmeckende Bratspieße genannt Mergez und süße Backwaren mit Honig lassen ein Gefühl des Hungers aufkommen. Das Gemurmel der Menschenmenge und das dumpfe Geräusch von Werkzeugen dringt an unsere Ohren und das Schreien der Lämmer durchbricht alle anderen Geräusche.
In der Ferne hören wir einen Muezzin das Abendgebet durchs Megaphon beten, er wird begleitet von der Musik mehrerer Ramadan Posaunen und Gesänge. Das Abendrot lässt alles in einem feurigen Licht erscheinen, wir schliessen die Augen und geniessen diesen berührenden Augenblick.
Inschallah – so Gott will – das meist benutzte Wort der marokkanischen Bevölkerung. Die von den Berbern abstammende marokkanische Bevölkerung wurde im Laufe der Geschichte von vielfältigen Einflüssen von Arabern und Europäern geprägt. Selbstbewusste Menschen, verwurzelt in Religion wie Tradition und zugleich offen für westliche Einflüsse.